Konzept überreicht: Fahrplan für die Erinnerungskultur im Kreis Pinneberg

Im Mai 2021 hatte der Kreistag ein Konzept zur Förderung der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus beschlossen. Jetzt liegt es vor. Der Titel lautet: „Partizipativ, vernetzt, nachhaltig - ein Konzept für die Weiterentwicklung der Kultur des Erinnerns an den Nationalsozialismus und seine Nachgeschichte im Kreis Pinneberg“. Verfasst haben das 53-seitige Werk die beiden Historiker Dr. Marcel Glaser und Professor Dr. Manfred Grieger.

„Als Kreistag haben wir gemeinsam das Ziel formuliert, eine innovative und nachhaltige Erinnerungskultur für den Kreis Pinneberg zu schaffen“, sagt Kreispräsident Helmuth Ahrens. „Mit dem Erinnerungskonzept haben die Historiker ganze Arbeit geleistet und uns einen Fahrplan an die Hand gegeben, wie wir die Arbeit engagierter Menschen in Gedenkstätten und Institutionen zusammenführen und unterstützen können. Denn diese Menschen und Orte sind es, die heutigen und künftigen Generationen vermitteln, wie es zur Gewaltherrschaft in Deutschland kommen konnte und wie wir Entwicklungen in diese Richtung verhindern können. Gleichzeitig ist in der Arbeit zu dem Konzept deutlich geworden, dass wir die Erinnerungskultur weiter fassen müssen. Auch der Kolonialismus ebenso wie das DDR-Regime sind Kapitel deutscher Vergangenheit, die erinnert und aufgearbeitet werden müssen.“


20230210 MI Erinnerungskonzept

Die Initiative zu mehr Erinnerungskultur geht auf Ahrens selbst und die beiden stellvertretenden Kreispräsidentinnen Elke Schreiber und Sabine Schaefer-Maniezki zurück. Im Kreistag stieß diese dann auf eine breite politische Unterstützung. Zeitgleich zum Beschluss des Erinnerungskonzepts hatte der Kreistag auch eine enge Kooperation mit der Konzentrationslager-Gedenkstätte Kaltenkirchen in Springhirsch beschlossen. Dem jetzigen Erinnerungskonzept war Anfang November eine Erinnerungskonferenz vorausgegangen, zu der zahlreiche Akteur*innen aus dem Kreis Pinneberg ins Kreishaus gekommen waren, um in Workshops über verschiedene Aspekte des Erinnerns und der Zusammenarbeit von Ehrenamtlichen zu Lösungen für die Zukunft zu finden.

Denn das beschreibt auch das Konzept gleich am Anfang: „Im Kreis Pinneberg besteht eine vielfältige und dezentrale Erinnerungslandschaft, die vor allem vom ehrenamtlichen Engagement getragen wird.“ Eine sinnvolle Weiterentwicklung, so schreiben die Wissenschaftler, müsse die Akteur*innen der Erinnerungskultur einschließlich der Museen und Archive eng einbinden. Eine lebendige Erinnerungskultur brauche die Vernetzung der Beteiligten.


Das modular aufgebaute Konzept gibt Handlungsempfehlungen für die kurzfristige Perspektive (die Jahre 2023 bis 2025), für die mittelfristige Perspektive (2026 bis 2029) sowie für die langfristige Perspektive (ab 2030).

Handlungsempfehlungen für die Jahre 2023 bis 2025:

In der ersten Phase geht es darum, die organisatorisch-administrativen Strukturen zu schaffen. Dafür empfiehlt das Konzept zunächst, eine Ansprechperson für Erinnerungskultur einzusetzen. Diese Person soll als Schnittstelle zwischen Politik und Verwaltung, der Zivilgesellschaft und den Erinnerungs-Akteur*innen fungieren. Darüber hinaus würde sie Aktivitäten des Kreises auf dem Feld der Erinnerungskultur koordinieren und regelmäßig Erinnerungskonferenzen einberufen. Zugleich brauche es eine Kreis-Arbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten, der Erinnerungsorte und Erinnerungs-Initiativen. Empfohlen wird außerdem eine Förderung seitens des Kreises Pinneberg, um projektbezogene Aktivitäten, beispielsweise des Henri-Goldstein-Hauses, zu ermöglichen. Über die Bewilligung der jeweiligen Fördergelder könnte ein Beirat nach Vorbild des bisherigen Steuerungskreises entscheiden. Um Vermittlungsangebote zu verbessern, setzt das Konzept auf die Kooperationsvereinbarung des Kreises mit der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen in Springhirsch. Ziel wäre demnach, die Arbeit mit Schüler*innen zügig auszuweiten und didaktische Handreichungen für Lehrkräfte zu erarbeiten. Eine Fachkonferenz mit dem Schulamt könnte den erinnerungspädagogischen Bedarf der Bildungseinrichtungen ermitteln.

Handlungsempfehlungen für die Jahre 2026 bis 2029:

Nach der ersten Phase soll es um inhaltliche Erweiterungen gehen. Kern dessen wäre eine Überblicks-darstellung zur Geschichte und Nachgeschichte des Nationalsozialismus im Kreis Pinneberg, die in Kooperation mit den Museen vor Ort präsentiert würde. Einen Schwerpunkt würde dabei die Geschichte der NS-Zwangsarbeit auf dem Land und in den Kommunen darstellen. So könnte es eine Kooperation der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen in Springhirsch mit den beiden Wedeler Außenlagern des Konzentrationslagers Neuengamme geben, um diese von der besonderen Kompetenz der bestehenden KZ-Gedenkstätte profitieren zu lassen. In dieser Phase wäre dann auch zu überlegen, inwieweit das Henri-Goldstein-Haus nach einer Sanierung als zentraler Erinnerungsort des Kreises Pinneberg dienen könne, oder ob weiterhin eine dezentrale Erinnerungs-Landschaft am besten dazu geeignet sei, eine vielfältige lokale Erinnerungskultur zu repräsentieren.

Handlungsempfehlungen ab 2030:

Bevor es in die Phase ab 2030 gehen würde, müsse eine kritische Bilanz des bis dahin Erreichten gezogen werden. Im Zentrum sollten dabei der Grad der Professionalisierung, die Qualität, die Themenvielfalt und die Lage der ehrenamtlich engagierten Kräfte stehen. Außerdem werde zu fragen sein, inwiefern Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung oder andere Minderheiten inzwischen als Akteur*innen Teil der lokalen Erinnerungskultur geworden seien. Auf Basis dessen soll dann - auch mit Hilfe einer Tagung unter der Überschrift „Was wollen wir wie mit wem erinnern?“ - ein Kreis-Erinnerungskonzept 2.0 entstehen.

 
Medieninformation vom 10.02.2023